Samstag, 17. Oktober 2009

Trüffelschweine




Das fand ich gut.


Gestern erst hatten wir den Übersetzerwettstreit im Tsp. Es ging darum, wer Maradonas Zitat („A los que no creían o no creyeron, con perdón de las damas, que la chupen, que la sigan chupando”) am elegantesten ins Deutsche übertragen kann.
“Das können wir auch”, sagt sich die Süddeutsche, “aber Spanisch ist nicht so unser Ding, als Liberale sind wir eher anglophil”. Also was Englisches mit Oralverkehr. Schlag nach bei Philip Roth, und siehe da…
Eine der peinigendsten und komischsten Szenen des Buches ist jenes, wo der Held…[seine Schnalle]… zum Oralverkehr zu veranlssen vermag. Außer um die interessante Frage, ob dieser Vorgang im Deutschen mit dem Akkusativ (Molvig; “Aber so etwas konnte Sally nicht: mich blasen”) oder dem Dativ (Schmitz: “mir einen blasen”) zu konstruieren…

Das fand ich nicht gut.

Es passiert einem ja immer wieder mal, dass man morgens in der Zeitung Wörter liest, die da gar nicht stehen. Kann am Restalkohol liegen, oder auch am Alter, jedenfalls kriegt man aber meistens irgendwann aus dem Zusammenhang raus, dass da nicht „Firlefanz“, sondern „Finanzen“ steht, dass „Urinstinkt“ nichts mit Ausscheidungen zu tun hat oder dass der Autor nicht vom „Blasen“ mit Dativ oder Akkusativ (siehe oben) spricht, sondern, dass es um Blasen geht, die platzen, wenn Krise ist. Funktioniert aber nicht immer. Aber heute lags nicht an mir: Michael Jürgs auf S. 4:

Unvergessen, als journalistische Trüffelschweine herausfanden, dass sich die Geheimen Ost so weit entblödet hatten, Geruchsproben von Aufmüpfigen in Einweckgläsern zu archivieren, auf dass im Falle eines Falles, falls nämlich die in Internierungslager verbracht werden sollten, die abgerichteten Bluthunde jagend ihre Spuren aufnehmen konnten.

Das gibt beim ersten Lesen keinen Sinn, beim zweiten auch nicht, und dann habe ich aufgegeben. Immerhin: Jürgs scheint meine Liste der hässlichsten Wörter genau zu kennen, denn er bedient sich da ebenso großzügig wie schamlos.


Freitag, 16. Oktober 2009

Diego




Das fand ich gut.


Wir räumen unsere Stadt gründlich auf. Den Startschuss gibt tib auf der Meinungsseite:
 
Wäre es nicht ein Zeichen für das Zusammenwachsen dieser Stadt, wenn nicht nur das ICC, sondern weitere Denkwürdigkeiten dieser Art verschwänden? Auf Platz eins einer ersten Vorschlagsliste könnte der (zugegeben: frisch sanierte) Bierpinsel stehen, dicht gefolgt vom Steglitzer Kreisel. Und wäre nicht auch im Fall des Europa-Centers ein Komplettabriss statt einer Teilerneuerung die dreifach bessere Lösung – finanziell, ästhetisch und, vor allem, als einheitsstiftende Geste?
Aber da müssen wir ja nicht stehenbleiben. Wenn die Stadt wirklich zusammenwachsen soll, müssen wir auf beiden Seiten Zug um Zug abrüsten: Gedächtniskirche gegen Dom, Bahnhof Zoo gegen Friedrichstraße, S-Bahn gegen Tram, etc., bis eben alles eins ist. Da stellen wir dann ´ne Mauer hin. Für die Touristen.


Das fand ich nicht gut.


Maradona hat gestern einen schönen Satz gesagt, und der lautet:


A los que no creían o no creyeron, con perdón de las damas, que la chupen, que la sigan chupando.
Offensichtlich eine echte Herausforderung für die Hobbyübersetzer vom Tsp., und gleich zwei Sportredakteure versuchen sich dran.


Ingo Schmidt-Tychsen löst es noch relativ elegant mit


Denjenigen, die nicht an mich geglaubt haben, sage ich – die Damen mögen mir das verzeihen – ihr könnt mir einen blasen.
Ein bisschen umständlich und verblasen, aber insgesamt nicht schlecht.

Tobias Käufer geht etwas kreativer ran:
Die anderen, die nicht an die Nationalmannschaft geglaubt haben, sollen weiter die Schwänze lutschen.
 Aber das geht gar nicht. Wo bleiben die Damen und wiviel Schwänze hat die Hand Gottes?

Donnerstag, 15. Oktober 2009

Loser




Das fand ich gut.


Das passt. Manche hören Stimmen, andere sehen weiße Mäuse, aber Hans Neuenfels bestellt sich längst verstorbene Komponisten nach hause zum Essen. Und terrorisiert das „tiefste Salzkammergut“:


„Ich legte Tristan und Isolde auf. Die Sterne traten hervor und drohten uns wie Fäuste, das Licht der Loser-Hütte blinkte, und im ganzen Tal gingen die Lichter an. Die Altausseer lagen in ihren Betten, saßen um den Ofen, tranken Riesling, Veltliner, Bier, Obstler, blaufränkischen Burgunder und hörten.“
Was? Wo? Die Loser-Hütte? Das passt.


Das fand ich erst nicht gut, dann aber doch.


Das sieht wieder mal so aus, als würde die Rentenformel dahingehend erweitert, dass die Greise mehr kriegen und wir die Rechnung dafür zahlen dürfen.

Wie die Generalsekretäre Ronald Pofalla (CDU), Alexander Dobrindt (CSU) und Dirk Niebel (FDP) nach der Verhandlungssitzung mitteilten, soll das sogenannte Schonvermögen für die Altersvorsorge, das beim Bezug von Arbeitslosengeld II unangetastet bleibt, deutlich erhöht werden. Es wird auf 750 Euro pro Lebensjahr erhöht und damit verdreifacht.
Warum sollte ein 20-jähriger ein Schonvermögen von nur 15.000 Euro behalten dürfen, ein 60-jähriger aber ein Vermögen von 45.000 Euro? Sieht erst nach Abzocke aus, bevor man’s kapiert. Nach der aktuellen Statistik wird ein heute 20jähriger im Schnitt 77 Jahre alt, ein heute 60jähriger aber fast 87. Also müssen die Alten 10 Jahre mehr Leben finanzieren, und das kostet eben.

Montag, 12. Oktober 2009

Schuld und Sühne




Das fand ich gut.

Es gibt ein paar Wahrheiten, die gelten auch noch 13 Jahre, nachdem sie verkündet wurden. Selbst im Journalismus. Harry Rowohlt in der ZEIT(1996):
Drei weitere altehrwürdige Tabusätze für Journalisten sind:
"Als ich die Gangway hinunterstieg, schlug mir die dumpfig-schwüle Atmosphäre des Inneren Gran Chaco entgegen wie ein feuchtes Handtuch", weil selbst die abgebrühteste Brigitte-Leserin inzwischen weiß, daß die Atmosphäre im Inneren Gran Chaco aus feuchten Handtüchern besteht und gar nicht anders kann und deshalb entschuldigt ist.
"Der Taxifahrer sagt mir . . .", weil man auf diese Weise verrät, daß man keinerlei Kontakt zu den Einheimischen hatte.
"Am Canal St.-Martin scheint die Zeit stehengeblieben zu sein", obwohl es stimmt, weil es unfein ist. So was sagt man nicht.
Und der Tsp. beweist uns, wie aktuell die Warnungen heute noch sind.

Beschleunigung
Vor Wochenfrist saß ich in Jerusalem in einem Taxi und stand – was für diese Stadt nun wirklich nicht untypisch ist – in einem schweren Verkehrsstau, der dadurch entstanden war, dass von allen vier Seiten einer Kreuzung Autos aufeinander zugefahren waren und keiner dem anderen Vorfahrt geben wollte. Um den Taxifahrer zu beruhigen, der über die Situation etwas erregt war, begann ich mit ihm ein Gespräch darüber, dass die nahöstliche Stadt in den vergangenen Jahrzehnten (ich kenne sie seit 1983) doch sehr viel hektischer geworden sei. Und ich trug Hypothesen darüber vor, warum das so sei, nannte beispielsweise den stark angestiegenen Individualverkehr. Da drehte sich der Fahrer zu mir um, setzte ein sehr ernstes Gesicht auf und sagte (in ziemlich gebrochenem Englisch): „Nein, der wahre Grund ist ein ganz anderer: Die Erde dreht sich immer schneller“. (Markschies, S. 26)
Die eigentliche Perle befindet sich aber schon in den ersten zwei Worten: „Vor Wochenfrist“. Einfache Journalisten sind vor zwei Wochen mal Taxi gefahren, um sich die Recherche zu ersparen, Unipräsidenten machen das „vor Wochenfrist“ (und vor Ort, vermute ich.)

Das fand ich nicht gut.

Noch mal „Wissen“, noch mal S. 26. Unter „Gerügte Forscher“ ist zu lesen:
Nach Prüfung der Vorgänge sei die DFG zu dem Schluss gekommen, dass bei 13 Personen ein wissenschaftliches Fehlverhalten – also Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit – vorliege.
Aha: Es gibt als zwei Formen des wissenschaftlichen Fehlverhaltens: Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Und sicherlich gibt es auch zwei Schuldformen (Vollendung und Versuch), zwei Rechtfertigungsgründe (Verbrechen und Vergehen) und zwei Verjährungsfristen (Schuld und Sühne).


Sonntag, 11. Oktober 2009

Reader's Digest




Das fand ich gut.


Alfred Eichhorn beklagt auf S. 31 die penetrante Floskel „… sieht anders aus“ und beweist damit ein treffsicheres und subtiles Sprachempfinden. Es geht eben, liebe Frau Grunert, nicht in erster Linie um die korrekte Grammatik und wie man welches Verb beugt, sondern darum, welche Wörter man verwendet, und welche besser nicht. Zu „sieht anders aus“ packen wir noch „nicht wirklich“, „hat was“, „geht gar nicht“ und alle ihre hässlichsten Kumpels (nicht vollständige Liste hier abrufbar) oben drauf und versenken alles an der tiefsten Stelle des Pazifiks.

Das fand ich nicht gut.

Wer hören kann, soll sich auch selbst zuhören, möglichst bevor er spricht. Herr Eichhorn, wo haben Sie denn „das Kind im Manne!“ (auch im Original mit Dativ-e und Ausrufezeichen!) her? „Reader’s Digest“? „Für Sie“? „Praktische Fibel für den modernen Sprachgebrauch“ (Schnarchnase-Verlag Tübingen, 1951)?

Samstag, 10. Oktober 2009

Hertha



Das fand ich gut.

Die diesjährige Preisverleihung in den verschiedenen Disziplinen.

Die Hertha aus Berlin hat spätestens mit den Schlappen in Hoffenheim und gegen Hamburg bewiesen, dass der Schießbefehl endgültig aufgehoben worde. Keine Frage: Friedensnobelpreis für Hetha „Müller“ BSC,

Farbig, etwas schrill und ein routinierter Twitterer. Barack Obama hat die Auszeichnung „Vogel des Jahres 2010“ wirklich verdient. In Hinblick auf die Jahreszahl waren wohl aber auch Vorschusslorbeeren dabei, wie der Tsp. zu recht zu bedenken gibt.

Was kommt noch? Offen sind noch der „Oscar“ und der "Ehrenpreis Kinderrechte" von UNICEF Deutschland. Für beides gibt es neben Roman Polanski eigentlich keinen ernstzunehmenden Konkurrenten.


Das fand ich nicht gut.


Seit Jahrhunderten beschäftigen sich die Menschen mit der Frage, ob es den Mann im Mond nun gibt oder nicht. 1969 wollten wir ihn dann besuchen, aber er ist nicht gekommen. Um zuverlässig zu ermitteln, ob es den Mann im Mond wirklich gibt, haben die Amerikaner nun ein „ungewöhnliches Experiment“ (S. 28) durchgeführt.
Dazu ließen sie eine zwei Tonnen schwere Raketenspitze gezielt auf den Erdtrabanten stürzen. Dabei sollte nicht nur tonnenweise Mondgestein aufgewirbelt werden, sondern auch Wassereis, das seit langem in tiefen Mondkratern vermutet wird.
Dieses ungewöhnliche Experiment hat auch schon in Japan, Vietnam, Irak und Afghanistan gut geklappt, und wenn den Forschern bei dem aufgewirbelten Mondgestein noch ein Gerippe entgegenfliegt, wissen wir endgültig, dass die Geschichte vom Mann im Mond kein Märchen war.



Freitag, 9. Oktober 2009

Küchenkabinett




Das fand ich gut.


Gestern haben wir (von der EU) gelernt, wie man die Armut wirksam bekämpft, nämlich indem man sie verbietet und unter (Geld-)strafe stellt. Offen blieb dabei nur, wie man die blöden Schulden loswird, um der Strafe zu entgehen. Das hat unsere zukünftige Regierung jetzt auch geklärt. Unter der Überschrift „Das 30-Milliarden-Euro-Loch“ lesen wir auf S. 4:


Zumal die Koalitionsspitzen – zweiter wichtiger Beschluss des Donnerstags – eine Prioritätenliste aufgestellt haben: Entlastung der Bürger – vorrangig durch niedrigere Steuern –, Investitionen in Zukunft – vorrangig in Bildung – und Konsolidierung.
„Kinder“, sagte Papa zu uns, „Mama und ich haben gestern festgestellt, dass unser Konto 30 Milliarden in den Miesen steht. Da haben wir uns einen Dreistufenplan ausgedacht. Zuerst kriegt jeder doppelt so viel Taschengeld, dann kaufen wir für Mama eine neue Küche und für mich was Kleines aus Zuffenhausen. Danach wird konsolidiert.“

Das fand ich nicht gut.

Oft weiß man bei einem Buch schon nach den ersten Worten, was einen erwartet.


„Aujourd’hui maman est morte. Ou peut-être hier. Je ne sais pas.“

Das kann was werden. Sogar ein Nobelpreis.


„Alles, was ich habe, trage ich bei mir. Oder alles Meinige trage ich mit mir. Getragen habe ich alles, was ich hatte.“ (Müller, S.26)
Das klingt eindeutig nach „Entbehrungskitsch“ und „Kunstschneeprosa“ (Gerrit Bartels im Interview auf S. 25). Und bringt auch’n Nobelpreis ein.


Donnerstag, 8. Oktober 2009

Zero tolerance




Das fand ich gut.


Von Europa können wir noch viel lernen. „EU überprüft das deutsche Defizit“ (S. 21):


Ungeachtet der schweren Wirtschaftskrise droht Deutschland wegen übermäßiger Staatsverschuldung ein Strafverfahren. Die Europäische Kommission hat am Mittwoch gegen insgesamt neun EU-Staaten ein sogenanntes Defizitverfahren eingeleitet, bei dem Verstöße gegen den europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt untersucht und geahndet werden…Strafprozeduren, bei denen in letzter Konsequenz hohe Geldbußen für Euro-Länder drohen, laufen in der EU bereits gegen elf Staaten.
Wenn man die Armut nicht mit wirtschaftspolitischen Anreizen wirksam bekämpfen kann, muss eben das Strafrecht ran. Zero tolerance gegen Armut. Wer kein Geld hat, kriegt eine saftige Geldbuße aufgebrummt, da werden es sich die Armen zweimal überlegen, ob sie sich nicht doch ein bisschen Geld zulegen. Und von den Bußgeldern kann Frau Merkel dann die Steuern senken.


Das fand ich nicht gut.


„Romanübersetzer haben Anspruch auf Erfolgsbeteiligung“ (S. 29, eine Seite, die das Lektorat irgendwie übersehen haben muss):
Die zusätzliche Erfolgsbeteiligung sollte bei Hardcover-Ausgaben 0,8 Prozent und bei Taschenbüchern 0,4 Prozent des Nettoladenverkaufspreises betragen.
Wie bitte?? Wo ist da die Gerechtigkeit? Seit wann ist es einfacher, ein Taschenbuch zu übersetzen als ein gebundenes? Sollen die Herren Richter in Karlsruhe doch mal versuchen, das grundlegende Werk „Notwendige Streitgenossen“ (zufällig von mir, und nur als Taschenbuch [für den Spottpreis von 9,90 €] erhältlich) in irgendeine lebendige Sprache zu übersetzen.














Mittwoch, 7. Oktober 2009

München/Berlin




Das fand ich gut.

 
Ehrgeiz ist was Schönes, und so ist es nur zu begrüßen, wenn JSO (im Kulturteil) durchblicken lässt, dass ihn Filmkritiken einfach nicht mehr richtig herausfordern. Also schlägt er den ganz großen Bogen, und erklärt die Entwicklung von „Männern“ (Dörrie) bis zu „Männerherzen“ (Verhoeven) nicht nur filmisch, sondern auch politisch und geographisch. „Männer“ war Kohl und Genscher, „Männerherzen“ Merkel und Westerwelle (Männer?). „Männer“ ist München, „Männerherzen“ ist Berlin.

 
Und dazwischen? „Lola rennt“ für Schröder/Fischer in Würzburg und „Gegen die Wand“ mit Merkel/Steinmeier in Kassel?

 
Das fand ich nicht gut.

Aber die Pointe sitzt noch nicht richtig.
Und noch etwas: Die Münchner Beziehungskomödie ist mit „Männerherzen“ insofern in Berlin angekommen, als sich Berlin endlich wie München anfühlt. Ganz wie im richtigen Leben.


Also ganz langsam. Ein Münchener kommt in Berlin an, und das merkt man daran, dass sich Berlin jetzt wie München anfühlt? Dann müsste sich Prenzlauer Berg doch wie Stuttgart-Killesberg anfühlen. Und die etwas verwegene Behauptung, auch „im richtigen Leben“ (gibt’s auch ein falsches?) fühle sich Berlin schon wie München an, sollte JSO noch mal mit Sarrazin besprechen.










Montag, 5. Oktober 2009

Brandaktuell




Das fand ich gut.

Eine sprachliche Neuerfindung auf S. 10: „Für Lippert ist die Sache nicht ohne Heikel.“ Hamwer noch nie so gelesen, muss brandaktuell sein.

Was? Das war aus dem „WENDEKalender“, also vom 5. Oktober 1989? War ne schöne Zeit. Da wurde Sprache noch gepflegt.


Das fand ich nicht gut.

Deutsch-Nachhilfe, auch auf Seite 10, und auch ein bisschen aus der Zeit gefallen. „In der Bedeutung über den Boden ziehen … wird schleifen hingegen regelmäßig konjugiert“. Frau Grunert, das heißt mindestens seit 1989 schon längst nicht mehr „über den Boden ziehen“, sondern „über den Tisch ziehen“, und das Synonym (bescheißen) wird extrem stark konjugiert, nämlich bescheißen, beschiss, beschissen.



Sonntag, 4. Oktober 2009

Obst und Gemüse





 Das fand ich gut.

Blase unterm Meer (S. 28)

Nach einer Stunde Kontrollgang durch ihre kleine Stadt auf dem Meer klapst Marit Berling mit der flachen Hand zweimal kräftig auf ein dickes braunes Rohr. „Das hier ist unser größter Stolz“, sagt sie.

Das hat Klasse, so muss ein fetziger und rassiger (hihi) Erotikthriller anfangen. Im weiteren Verlauf gibt es dann zwar nur fahrige und blasse Ausführungen zur Speicherung von CO², aber der Anfang ist gemacht. Wenn Herr Hoffmann den stehen lässt (hihi), und so weiter schreibt, werde ich den Artikel beim nächsten Mal garantirt zu ende lesen.

Das fand ich nicht gut.

Wenn man sich interessant machen will, sollte man jetzt Thilo Sarrazin verteidigen. Die Pflichtverteidigung übernimmt Peter von Becker (S. 1). Wie üblich in solchen Fällen fällt ihm nicht viel Besseres ein als die Behauptung, die Äußerungen von TS seien aus dem Zussamenhang gerissen, und man dürfe „diese Stellen“ nur zitieren, wenn man den ganzen Text kennt. Eigentlich sollte es sich bei Politikern inwzischen herumgesprochen haben, dass von ihnen meistens nicht ganze Interviews, Reden oder Essays zitiert werden, sondern einzelne Sätze (Was hat den Reagan gesagt, bevor er rief: „Mr. Gorbachev, open this gate! Mr. Gorbachev, tear down this wall!!“?). Und, Herr von Becker: In welchem Zusammenhang kann dern der Gemüsesatz stehen, ohne dass er eine fremdenfeindliche Gesinnung offenbart? Zur Erinnerung:

Eine großes Zahl an Arabern und Türken in dieser Stadt, deren Anzahl durch falsche Politik zugenommen hat, hat keine produktive Funktion, außer für den Obst- und Gemüsehandel, und es wird sich vermutlich auch keine Perspektive entwickeln.

Das führt natürlich unmittelbar zur neuen Chefmissionarin am Askanischen Platz, Claudia Keller (Meinungsseite). Wir zitieren (diesmal im Zusammenhang; zwischen den beiden Sätzen befinden sich bloß paar Alibiworthülsen):

Die Gläubigen sind gegen die Homo-Ehe, gegen Abtreibung, und auch die Scheidung ist in vielen Lebensplänen nicht vorgesehen…. Ist das nicht ein Schatz, der sich gerade für konservative Politiker zu heben lohnt?



 
 

Freitag, 2. Oktober 2009

Scharfkantig





Das fand ich gut.


Ok, es sieht nicht allzu gut aus, wenn sich der zukünftige Außenminister in der Pressekonferenz nach der Bundestagswahl weigert, dem BBC-Reporter eine auf Englisch gestellte Frage zu beantworten. Aber Babelfisch Guido macht das Beste draus:
„Jeder versteht doch, dass ich nach sehr kurzer Nacht von Sonntag auf Montag etwas scharfkantig reagiert habe!“ (S. 3)



Das ist offen und ehrlich, aber er hätte es der Höflichkeit halber auch auf Englisch sagen können.

„If you are that fucking hung-over as me you wouldn’t either want to answer a dumb question like that by a daft hack writer like you.“




Das fand ich nicht gut.

Woran erkennt man einen reaktionären Postkommunisten? Nach Henryk „M.“ Broder daran, dass er sich nicht klipp und klar dazu bekennt, dass die „ehemalige DDR“ (hihi!, da ist es wieder: Gibt’s auch eine aktuelle DDR?) ein Unrechtsstaat war. Der Begriff ist zwar nicht messerscharf definiert, aber nach Broder ist das doch ganz einfach.

Würde irgendein Politiker behaupten, der Begriff „Unrechtsstaat“ verletze die Gefühle derjenigen Deutschen, die im „Dritten Reich“ gelebt hätten, würde man ihn für bedingt zurechnungsfähig erklären. Im Falle der Linkspartei und ihrer Politiker liegen die Dinge anders. Denn die Partei, die in der DDR das Sagen hatte, ist inzwischen in 12 der 16 Länderparlamente vertreten, sie regiert in Berlin in einer Koalition zusammen mit der SPD und hat bei den letzten Landtagswahlen im Saarland 21 Prozent der Stimmen erhalten. Sie ist also eine politische Kraft, mit der gerechnet werden muss.
Yo, und weil für die DDR nichts anderes gelten kann als für das Dritte Reich, können ja wohl nur noch verblendete Retros Zweifel daran haben, ob die DDR ein Unrechtsstaat war. Aber um auch die letzten Zweifler ruhigzustellen, sollte das Problem von Gesetzes wegen gelöst werden. Der Broder-Paragraph (§ 130 a StGB) könnte folgenden Wortlaut haben:

§ 130 a

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet, verharmlost oder in Frage stellt, dass es sich bei der Herrschaft der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands um ein unrechtsstaatliches Regime gehandelt hat.

(2) Der Versuch ist strafbar.



Donnerstag, 1. Oktober 2009

Dirndl




Das fand ich gut.











Dirndl-Andrea und Pop-Siggi passen jetzt plötzlich doch gut zusammen. (Tsp. S. 3)
Wenn alles so kommt, wie Gabriel und Nahles sich das vorstellen, dann werden sie in Kürze als Paar die SPD führen – er im Amt des Parteichefs, sie als Generalsekretärin oder erste stellvertretende Vorsitzende. Noch vor zwei Wochen hätten der bullige Umweltminister und die streitbare Wortführerin der Parteilinken jedem den Vogel gezeigt, der ihnen das vorhergesagt hätte.

Gutes Bild, und der Text ist flott und originell formuliert.


Das fand ich gut.











Dirndl-Andrea und Pop-Siggi passen jetzt plötzlich doch gut zusammen. (Süddeutsche, S. 5)
Und Generalin unter Sigmar Gabriel? Vor zwei Wochen hätte Nahles noch jeden für verrückt erklärt, der auf eine solche Idee gekommen wäre.

Gutes Bild, und der Text ist flott und originell formuliert.