Freitag, 30. Juli 2010

Anstand




Das hat mir gefallen

Als gebürtiger Duisburger freut man sich natürlich, dass sich schlagartig alle überregionalen Zeitungen entschlossen haben, täglich eine Extra-Seite einzurichten mit Duisburger Lokalnachrichten. Sogar die Schnarchnasen vom Tagesspiegel, die die Stadt vermutlich erst einmal in ihrem Diercke-Weltatlas suchen mussten.

Das hat mir nicht gefallen

Ist eigentlich nicht unsere Art, Nachrufe zu kommentieren, aber heute muss es sein. Nichts gegen den Verstorbenen, aber gegen dieses Fazit von Herrn Eisenhauer

Er hat nie ein Aufheben um seine Zeit als Fluchthelfer gemacht. Bleibt die Frage: Woher rührte damals sein Mut? Die Antwort ist einfach, aber sie klingt ein wenig antiquiert: Er besaß ein Gefühl für Anstand.
Warum antiquiert? Wo kommt das Gefühl her, dass früher immer alles besser war (selbst die Vergangenheit war früher besser). Schon Goethe soll über die „Jugend von heuthe“ hergezogen haben. Kann man damit mal endlich aufhören? Von welchen Zeiten schwärmt Eisenhauer eigentlich, in denen es angeblich mehr Anstand gab als heute? Von der Dekadenzphase der alten Römer, dem Mittelalter, als man „Hexen“ verbrannt und in Südamerika ganze Völker abgeschlachtet hat? Vom Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation? Kolonialzeiten? Von den Weltkriegen, dem Holocaust, dem Wirtschaftswunder oder dem Vietnamkrieg?

Ja, auch zu diesen Zeiten hat es immer „Anstand“ gegeben, aber nicht mehr als heute.

Freitag, 16. Juli 2010

Weißbier




Der Tagespiegel erklärt nur mit ein paar Tagen Verspätung, was schon am Sonntag im SPIEGEL stand: Dass Hahnemann an zwei Theorien glaubte: Man kann jede Krankheit mit dem heilen, was sie verursacht, und: je weniger man davon nimmt, umso besser klappt’s.

Davon, dass die eine Annahme stimmt, und die andere Blödsinn ist, kann sich jeder jeden Tag selbst überzeugen. Anhand der größten und übelsten Geißel der Menschheit, dem Kater. Dagegen hilft nun wirklich – ich hab alles ausprobiert – nichts anderes als ein paar Weißbier zum Frühstück, aber bei der Dosierung darf man einfach nicht sparen.





Montag, 12. Juli 2010

Teheran







Das ist Hans Färber, der aktuelle GEZ-Verwaltungsratsvorsitzende. Färber wurde 1952 geboren und studierte Wirtschaftspädagogik und Betriebswirtschaftslehre. Man sollte also eigentlich annehmen, dass er sich alters- und ausbidlungsgemäß sowie von Amts wegen im "Zahlenraum über Hundert" auskennt. Großer Irrtum. Der Tagespiegel hat’s aufgedeckt:  

Die „Financial Times Deutschland“ hatte berichtet, die Umstellung auf die Haushaltspauschale werde bei der GEZ 150 Millionen Euro Zusatzkosten verursachen. Dietz nannte diese Angabe „völlig unrealistisch“. Auch der GEZ-Verwaltungsratsvorsitzende Hans Färber wies die Summe als „nicht nachvollziehbar“ zurück.
Wir nehmen mal an, dass Herr Färber den Begriff „Summe“ schon irgendwie nachvollziehen kann. (Zur Erinnerung: Das ist, wenn man Äpfel nicht wegnimmt, teilt oder stapelt, sondern einfach nur zählt). Also muss es die Höhe der Summe sein, die er als nicht nachvollziehbar zurückweist. Bis wohin geht’s denn, Herr Färber? 300.000 (geschätztes Jahresgehalt)? 1.000.000 (der Preis fürs bescheidene Eigenheim im Grünen)? 50.000.000 (Peanuts)? Dabei ist es so einfach: Wenn man 150.000.000 1-Euromünzen nebeneinander legt und damit in Frankfurt anfängt, dann reicht die Schlange bis Teheran.

Sonntag, 4. Juli 2010

A & Z




“saw you in Mercedes Benz
Practicing self-defense
You got it pretty good I guess
I couldn't see your eyes
You're really stupid, girl.”

(NEIL YOUNG, “Zuma”, 1975)
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“Let me whisper in your ear:
Angie, Angie, where will it lead us from here?
(THE ROLLING STONES, “Angie”, 1973)

Samstag, 3. Juli 2010

Wir Kinder vom Bahnhof Pasing




Am 30. Juni 2010, also am „Tag Minus Eins“ vor Kister, rechnet die Süddeutsche noch mal mit Berlin ab. Zu teuer, zu lasch, zu groß, zu überflüssig. In der Reportage steht so viel Müll drin, dass selbst militante Pazifisten auf dumme Gedanken kommen können. Zu den albernen Milchmädchenrechnungen hat Rüdiger Schaper im Tagesspiegel schon das Allernotwendigste gesagt. Aber die größte Niedertracht stellt der folgende Satz dar, den wir frei zitieren müssen, weil sich die Süddeutsche aus naheliegenden Gründen nicht traut, ihren Offenbarungseid (jetzt: Eidesstattliche Versicherung) ins Netz zu stellen (und die gedruckte Ausgabe den milden Zorn des Lesers nicht völlig unbeschädigt überstanden hat):

„… gibt sich seit Suhrkamp als Mittelpunkt des deutschen Literaturbetriebes aus, obwohl seit „Berlin Alexanderplatz“ nichts Nennenswertes mehr aus dieser Stadt erschienen ist, außer dem Copy&Paste-Fiasko einer jungen Frau Hegemann.“
Das spricht weniger gegen Berlin als vielmehr für den Verdacht, dass man in München überhaupt nur zwei Bücher kennt. „Berlin Alexanderplatz“ (Deutsch-Grundkurs bei Herrn Dr. Schweinsteiger, Abijahrgang 1976), und „Axolotl Roadkill“ (wegen der versauten „Stellen“). Alles andere aus Berlin zwischen 1929 und 2009 ist offensichtlich einfach nicht über den Äquator gekommen.

Ist nicht alles Gold, und nur eine kleine Auswahl, aber durchaus nennenswert:

„Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ (Christiane F.)
„Helden wie wir“ (Brussig)
„Treffen sich zwei“ (Hanika)
„Alix, Anton und die anderen“ (Hacker)
„Herr Lehmann“ (Regener)
„Feuer brennt nicht“ (Rothmann)
„Der kleine Bruder“ (Regener)
„Ullsteinroman“ (Nadolny)
„Tatarenhochzeit“ (Kirsch)
„Die Kosmonauten“ (Precht)
„Durch den Wind“ (Reich)
„Slumberland“ (Beatty)
„Fatherland“ (Harris)
„Der heilige Eddie“ (Arjouni)
„The Innocent“ (McEwan)

Ok., zugegeben: München steht auch nicht mit leeren Händen da:

„Mit Spaß zum Erfolg“ (Sepp Maier)
„Nummer Eins“ (Oliver Kahn)
„Der Wahnsinn liegt auf dem Platz“ (Jens Lehmann)
„Mein Tagebuch“ (Lothar Mattäus)