Sonntag, 25. April 2010

Eyjafjallajökull




Das fand ich beschissen.

Eyjafjallajökull war ja schon eine Nervensäge. Weniger wegen dem bisschen Asche (zu dem schriftstellerisch zertifizierten Gebrauch vom Dativ, siehe unten), als vielmehr wegen der Glossenlawine, die er ausgelöst hat. Von Entschleunigung, Zeit zur Besinnung und Rückkehr zum Wesentlichen war die Rede, Mixa fand sogar Gelegenheit zur „geistlichen Einkehr“, was vermutlich Nixanderes ist als ein Kneipenbesuch mit starken geistigen Getränken.
Die Spitze des Misthaufens bietet dann aber Moritz Rinke. Anstatt sich zu freuen, dass er ein paar Tage auf Lanzarote entschleunigen konnte, erzählt er uns lang und breit, zu wieviel Lesungen er muss, und wer alles ohne sein Buch nicht leben kann.

Die Lesung morgen in München werde ich nicht schaffen. Ich rufe meinen Verlag an und frage, ob wir auch schon die Lesung am Dienstag in Augsburg absagen müssen. Wie schön eigentlich, denke ich, meine letzten Lesungen, die ausfielen, waren für den September 2001 geplant, da saß ich in Los Angeles fest. Steinmeier von der SPD schreibt eine SMS: „Sitze im Hubschrauber nach Krakau und lese deinen Roman.“ Irre, denke ich, sitze hier in einem Vulkan auf Lanzarote und kann wegen einem Vulkan auf Island nicht in München lesen, aber mein Roman fliegt gerade zur Trauerfeier nach Polen! „Also, diese Asche … Augsburg, das wird nichts“, teile ich dem Verlag mit. „Höchstens Worms am Mittwoch!“ „Wir können Worms absagen! Hannover. Budapest.“
Das war auch nicht viel besser.

Kritiken lesen immer alle gern, besonders niederträchtige Verrisse, und ganz besonders dann, wenn sie von Dennis Scheck stammen. Eine misslungenen Theateraufführung, ein verhunztes Buch, eine überflüssige CD, Testnote 5 minus für den neuen BRAUN-Nasenhaarschneider, verkorkste Architektur in Modawien, ein Restaurant, in der die Balsamikumfüllung doch ein bisschen zuuu 1996 ausgefallen ist, oder eine Castingshow, die schlechter ist als DSDS (ok, jetzt übertreiben wir). Herrlich!
Aber es gibt – neben den Paralympics, Richard von Weizsäcker und dem FC St. Pauli – eine kritikfreie Zone, in der Lobhudelei Pflicht und Kür zugleich ist. Der Reiseteil im SONNTAGsteil. Oder haben wir jemals gelesen, dass es sich eigentlich nicht lohnt, zum Eyjafjallajökull zu fahren, weil es da noch langweiliger ist als am Kahlen Asten? Ok, das ist natürlich leicht zu erklären, weil kein Reporter, der halbwegs seine Tassen im Schrank hat, irgendwoanders hinfährt als ins Paradies. Hella Kaiser, deren Beitrag aus verständlichen Gründen aus dem Online-Angebot entfernt wurde, weiß, wie man über die Dritte Welt schreibt:
Downtown, im Zentrum, muss man sich nicht fürchten. Die meisten Touristen bleiben ohnehin in ihren Hotelanlagen.
Ja, genau. Dann kann man sich in Downtown wirklich halbwegs sicher fühlen. Aber es kommt noch schlimmer.

„Wenn Sie die Bahamas wirklich kennenlernen wollen, müssen Sie auf die Family Islands, rät Dedley. Dort sei es noch wie vor 30 Jahren.
Dedley weiß Bescheid: Authentisch ist nur die Vergangenheit. Die Gegenwart ist eine Illusion, Schall und Rauch, Dampf und Asche.

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